DISRUPTION
OPENING RECEPTION DECEMBER 6 2017 / 6-9 pm
on display from Dec 6 – 23 2017
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Disruption
Artikulation 1
Eine Kritikerin
zum Beispiel, die die Kritik zu ihrem eigenen Problem machte, nicht zu einem
persönlichen, sondern zu einem Formproblem, zu dem sie sagen könnte, dies bin
ich, ich bin Autorin dieses Problems.
Oder ein
Kritiker, dessen Einfluss auf ein Feld so groß ist, dass er mitbestimmen kann,
was überhaupt als Gegenstand seiner Kritik hergestellt wird. Solche Kritik
schafft den Raum ihrer Möglichkeit selbst, als eigenes Werk oder als
dominiertes Feld. Sie kreiert eine autonome Vermittlungsebene zwischen
Allgemeinem und Besonderem, die den Austausch regelt, sodass gewonnene
Erkenntnisse wieder in den eigenen Kreislauf eingespeist werden können und das
System wächst.
Einer Kritik, die
ideologisch und rhetorisch mit ihrem Gegenstand konkurriert, die also weder
formale noch inhaltliche Maßstäbe mit ihm teilt, allerdings auch kein eigenes
System entwickelt, sondern analysierend der Entwicklung des kritisierten
Gegenstandes folgt, fehlt die Möglichkeit von Scheitern und Gelingen. Entweder
liegt die Subjektposition ihrer Artikulation hauptsächlich in einem anderen
Feld und sie speist dort einen Diskurs, der den kritisierten Diskurs nur
abschöpft. Dann bleibt sie ihm äußerlich, sie benutzt seine Entwicklung zur
Stabilisierung der zu schwachen, eigenen Systematik. Oder sie wird selbst von
ihrem kritisierten Gegenstand als Ressource benutzt und abgeschöpft, sie
optimiert analysierend seine Systematik.
Kritikformen, die
anerkennen, dass sie Teil des kritisierten Bereichs sind, lassen sich zwischen
einem reaktionären und einem utopischen Pol verorten. Einerseits rhetorisch
innovative und ideologisch redundante Kritik. Andererseits rhetorisch
redundante und ideologisch innovative Kritik. Weil es keinen Standpunkt
außerhalb der Diskurse gibt, folgt die Zuschreibung, was innovativ oder
redundant sei, aus der Setzung was rhetorisch und was ideologisch ist, und dies
ist nur die mittlere Sequenz einer Äquivalenzkette an deren entscheidenden
Enden zwei Fiktionen, nämlich einerseits der als relevant selektierte Diskurs
und andererseits das vorgefundene Ich stehen: Es ist meine Perspektive, meine
Meinung, das Ich als Algorithmus. Diese Kritikformen fördern den Wettbewerb
unter den Diskursen. Sie sind entweder Teil einer reduktionistischen oder einer
emergenten Dynamik.
Eine Kritik, die
rhetorisch und ideologisch innovativ ist, wäre revolutionär, oder irrelevant.
Artikulation 2
Solange der
Status einer Person in einer Gruppe nicht etabliert ist, hat es für sie keinen
Sinn, über Dinge zu sprechen, die den Horizont ihrer Gesprächspartner
übersteigen. Sie würden unzufrieden sein und die Neue für einen Troll oder
Dummkopf halten, mindestens würden sie sagen: wir verstehen dich nicht, und es
als Vorwurf meinen. Besser ist es, sie erzählt den anderen Neuigkeiten von
dort, wo sie herkommen, so erkennen sie ihren Rang.
Malerei im Raum
Converse zum
Beispiel, oder Adidas, neu und unbenutzt. Die Schuhe werden langsam mit Pudding
beträufelt. Der Pudding wird über den Schuhen ausgegossen. Er tropft überall
auf die Schuhe, und in die Schuhe hinein, er läuft an ihnen herunter. Die
Schuhe werden bestrichen. Eventuell danach auch an- und ausgezogen, sodass der
Pudding geräuschvoll hervorquillt. Die beschmutzten Schuhe werden danach
weggeworfen, oder weiter zerstört. Jedenfalls wird das Video hochgeladen und
kommentiert.
Der Käufer spürt
die Ware am meisten im Moment des Kaufs. Das Geld, das er bezahlen muss, hat
etwas mit seinem Körper zu tun. Es hat etwas mit dem Verhältnis zwischen seinem
Körper und seinem Bewusstsein zu tun. Nach dem Kauf ist die Ware bereits
entwertet, ein bloßes Ding. Man sieht ihr entweder den Wert oder den Körper
nicht mehr an. Man müsste sie gleich wieder verkaufen, aber dann fehlte sie. Es
hilft, dass andere die Ware ebenfalls kaufen. Dadurch steigt sie eine gewisse
Zeit im Wert.
Als die
Verkörperung des Geldes und Vergeistigung seines Körpers wird die Ware im Kauf
vom Käufer körperlich erfahren. Nach der kurzen Präsenzerfahrung dieses
Übergangs sind beide wieder leer. Ware und Käufer müssen jetzt immer wieder neu
identifizierend ineinander übergehen. Denn es reicht nicht, dass das Wort
einmal Fleisch geworden ist, es soll dann auch sprechen.
Das Zeichen ist
der Riss, man erfährt ihn im Sprung. Und nur im Sprung, denn Einheit ist
unmöglich, die Vermittlung negativ. Zwischen Körper und Geist, zwischen
Signifikant und Signifikat will ich die Verkörperung des Risses, will ich der
Übergang, will ich Geld werden. Ich muss dauernd von der Sprache gesprochen
werden, mich verkörpern und vergeistigen. Dazu gibt es das Leben, man kann es
selbst herstellen, oder dazukaufen, was aufs Gleiche hinausläuft. Das Leben ist
die nachwachsende Vermittlung, die Verbundenheit mit den anderen, der
Austausch, Kontingenz ‒ das, was man dauernd in den unendlichen Riss des
Zeichens werfen muss. Dieser herrliche Riss, dessen reinste Idee das Geld ist.
Oder Gott. Aber auch Kunst. Wenn die Ware, also ich als Zeichen, nicht dauernd
weiter angeeignet, also produziert wird, ist sie tot und der Geist ist fort.
Zugleich bleibt
die Verkörperung immer aufgeschoben. Ein gutes Produkt bietet sich als
Projektionsfläche für den dauernden Kreislauf von Projektion und Rezeption an.
Es ist nie ganz fertig, sondern offen für die Benutzung ‒ work in progress ‒
das Ineinandergreifen von Produktion und Konsumption. Das Produkt zeigt keinen
komplexen inneren Aufbau, sondern eine Benutzeroberfläche. Die Konsumption soll
die Produktion spiegeln, aber nicht die materielle, sondern die ideologische,
nicht die Arbeitsbedingungen, sondern die Werbung: Eine von tatsächlichen
Bedingungen losgelöste Ästhetik, die den Käufer als Nutzer des Zeichens
vorsieht. Es werden nicht Formbegriffe, sondern Verhältnisformen entwickelt;
nicht Hierarchie, sondern Transversalität. Das gute Produkt ist ein virales
Event. Man schaut es in einer Weise an und teilt es als Bild, die zu seiner
Benutzung in mitgelieferten Bildern als vorgesehen angeboten ist, denn
andernfalls verfehlte man das spezifische Erlebnis, um dessen Herstellung
Nutzer und Werber harmonisch konkurrieren. Aber als Erlebnis kann das Produkt
nicht besessen werden, es muss in dauernder Identifikation hergestellt,
geteilt, gedeutet, collagiert, montiert, beschmutzt, gehackt, und immer wieder
neu angeeignet werden. Denn wurde es erst einmal in der vorgesehenen Art
erlebt, lässt sich die Bedeutung zwar nicht sezieren, aber aufstocken. Eine
Unterscheidung von Protest, Fetisch und affirmierender Innovation wird sinnlos.
Das Produkt hat keine Grenzen, nur Verknüpfungen. Es bietet der einzelnen
erodierten Subjektformation ein Muster für ihre Differenzen, eine
Anordnungsweise. Das Subjekt schüttet sich in das Zeichen und erfährt eine
Formung. Das gute Produkt erfordert also Subjekte, die von ihrer Subjektivität
nur noch die Einzelheit, Knappheit und Diversität haben, die also weder eine
eigene Gliederung sie verknüpfender Äquivalenzketten aufweisen, noch als
individuelle Subjekte völlig aufgelöst, also in fremde Äquivalenzketten
eingebunden sind. So können gute Produkte Subjektformationen für die
losgelösten Elemente der Menge an Subjektivität einer Person bilden.
Solche Personen
sind gute Produkte in Äquivalenzketten, die, obwohl kurz gehalten, dank der
zwar dysfunktionalen, aber als Menge von abschöpfbaren Elementen erhaltenen,
alten Äquivalenzebenen, eine enorme Dynamik asymmetrischer Verteilung
entwickeln.
Ästhetischer
Protest besteht darin: man findet das Kaputte am Kapitalismus so geil und
identifiziert sich konsumierend damit. Der Konsum gibt ein Passionsbild der
Entfremdung ab, ist Protest, der wieder konsumiert und reproduziert wird.
Gleichzeitig ist der Protest in der Ausweglosigkeit des Ästhetischen immer
schon Konsum und also Produktion. Protest ist die Ware, das Produkt bleibt
aufgeschoben wie die Revolution. So ist Protest das Paradigma der
Warenförmigkeit in Zeiten ‒ keiner Krise, sondern ‒ der Konkursverschleppung.
Das ästhetische
Objekt gibt es nicht mehr als Ding oder Werk, also mit vermittelnden
Formbegriffen, die es strukturieren. Durch eine artikulierende Einschreibung in
sie und deren autonome Prozesse, konnte Kunst angerufen werden. Denn Kunst war
nicht direkt erreichbar, ist es nie. Gegen die Macht dieses historischen Blocks
„Kunst“, wurden seine inneren Formbegriffe, seine Äquivalenzketten, seine
Autonomie angegriffen, sodass sein Kunstbegriff unerreichbar wurde. Aber der
Herrscher war bereits ausgezogen. Die Gefahr von Befreiungskämpfen ist, dass
sie, scheinbar siegreich, mit der Unterdrückung nur die eigene Organisation
auflösen und Ausbeutung in eine schwerer darstellbare Vermittlungsebene ausweicht.
Der ästhetischen
Form als glatter Verhältnisform von Projektion und Rezeption fehlen komplex
strukturierte, autonome Vermittlungsebenen zwischen dem Nutzer und einer
Totalität der Marke, des Kampfes, oder der Kunst. Ebenen für den Tausch von
angebotener und aneignender Benutzung, die Rückkopplungen in der streuenden
Vermittlung ermöglichen. Es fehlen unabhängige Organisationen zwischen
Produzent und Produziertem.
Wenn in der
gliederungslosen Verallgemeinerung des Ästhetischen die Kritik das Produkt ist,
kann die Weiterentwicklung ästhetischer Formen nicht kritisch sein. Denn die
glatte Verhältnisform bietet für den Produzenten keine Autonomie, er kann also
den Mehrwert nicht selbst wieder einspeisen, weil er nur eine Sequenz innerhalb
einer ihn überschreitenden Äquivalenzkette ist.
Dann muss aber
auch niemand mehr immer weiter aus der Kunst hinaustreten in einen wahren
Kampf, oder ein Leben. Ein Außen könnte nur innen hergestellt werden, indem man
sich teilt. Indem die Geteilte ihre Verteilung ‒ organisierte.
Re: Kunst
Kunst kann
entweder eine Artikulation sein oder ein Diskurs. Die differentiellen
Positionen der Artikulation, ihre Elemente, gewinnen ihre Identität nur in
ihrer Relation zum Diskurs. Die differentiellen Positionen des Diskurses, seine
Momente, gewinnen eine Einheit durch die Regelmäßigkeit ihrer Verteilung.
Identität der
Elemente und Totalität des Diskurses sind ausgeschlossen, wenn Artikulation
möglich ist. Totalität konstituiert sich dauernd und wird gespeist von
Kontingenz, die die völlige Determinierung verhindert und damit den Prozess der
dauernden Konstitution, also der auf Determinierung zulaufenden Ausschließung
von Kontingenz, dauernd weiter ermöglicht.
Die Totalität
eines Gesamtdiskurses über den Diskursen ist eine Fiktion. Der universelle
Begriff ist ein leerer Signifikant ‒ er bleibt, als letztes Glied der
Äquivalenzkette über dem nach Totalität strebenden Diskurs, immer aufgeschoben.
Er wird er zum universellen Äquivalent eines Diskurses: zu Geld. Es gibt das
Geld immer nur in Währungen mit unterschiedlichem Wert, Stellvertreter auch
hier. Der universelle Äquivalent wird in der Regel ausgegeben vom hegemonialen
Diskurs. Er verkörpert sich darin als Fiktion der Totalität. Aber die leitende
Idee eines abstrakten Maßstabs kann auch wieder gegen ihn gewendet werden. Das
ist entscheidend für jede Artikulation. So kann die immer aufgeschobene, nie
greifbare, aber konkret als herrschend erfahrene Totalität eines Diskurses
konfrontiert werden mit der Möglichkeit ihrer Alternative: Ihr seid nicht Gott,
ihr seid die Kirche. Die wahre Kunst ist nicht die hegemoniale Kunst, die
Redundanzkunst, die Salon- und Biennalekunst, die Kunstweltkunst, und auch
nicht die Substanzkunst, die Geld und Währung identifiziert. Den wahren
universellen Äquivalenten muss man anrufen, wenn die Währung inflationär und
schlecht verteilt ist. Kunst kann also entweder eine Artikulation sein oder ein
Diskurs oder ein universeller Äquivalent.
Momente sind
differentielle Positionen in Bezug zum System, sie sind nicht einheitlich, in
sich identisch oder dem System vorgängig. Es gibt keine kleinsten Einheiten.
Die differentiellen Positionen der Artikulation, ihre Elemente, sind in sich
different und können nicht als ganze Elemente zu Momenten eines Systems werden.
Sie sind immer durchquert von verschiedenen Diskursen.
Eine Artikulation
ist beschreibbar als rhetorisch und ideologisch und sie kann innovativ oder
redundant sein. Sie kann darüber hinaus von einer Subjektposition ausgehen, die
von verschiedenen Diskursen, oder von einem Diskurs und einem unspezifischen
Feld der Diskursivität durchquert wird. Eine Subjektposition ist beschreibbar
mit Artikulationen und Diskursen; ihre Konzeption ist aber notwendig, weil es
keinen objektiven Rahmen gibt. Sie führt Verortung und Perspektivität ein. Eine
Artikulation, die nicht teilweise außerhalb des Dikurses steht, in den sie sich
artikulierend einfügt, und außerhalb ihrer Subjektposition, wäre eine
ursprüngliche und in sich nicht differente Identität. Das ist unmöglich. Gott
kann nicht sprechen.
Eine
Artikulation, die teilweise außerhalb der Subjektposition steht, die den
Diskurs vertritt, in den sie sich artikulierend einschreibt und die ideologisch
und rhetorisch redundant ist, ginge ganz im Diskurs auf, wäre also keine
Artikulation, sondern eine Vermittlung. Eine Artikulation, die rhetorisch oder
ideologisch innovativ ist, erneuert den Diskurs und fügt sich, ihn
modifizierend, als Moment in seine Regelmäßigkeit ein. Eine Artikulation, die
rhetorisch und ideologisch innovativ ist, läuft Gefahr, wegen zu schwacher
Redundanz nicht verstanden zu werden, also als Vermittlung zwischen Allgemeinem
und Besonderem zu scheitern. Ihre Elemente würden dann nicht als Momente des
wachsenden Systems des Diskurses bestätigt. Sie löst sich auf.
Äquivalenzen sind
Vermittlungsebenen; als Äquivalenzketten sind sie Systeme innerhalb des Systems
eines Diskurses. Nur Vermittlungsebenen können systemisch sein, da, wie wir
gesehen haben, Totalität und Identität immer nur erstrebt, aber nie erreicht
werden. Es gibt kein allumfassendes oder basal ursprüngliches System. Innerhalb
einer Äquivalenz sind die differentiellen Positionen gleichwertig in Bezug auf
einen allgemeinen Wert. Sie differieren untereinander, indem sie als Elemente
Teil unterschiedlicher anderer Äquivalenzen sind und bilden eine Einheit nur
als Momente dieser Äquivalenz, die so ein offenes Inneres und ein abgrenzbares
Außen schafft. Von Außen, also als Qualität, ist die Äquivalenz wiederum eine
Differenz unter anderen differentiellen Positionen in weiteren Äquivalenzen. So
entstehen Äquivalenzketten, Prozesse des Tauschs von Unterschiedlichkeit und
Gleichwertigkeit. Insofern die Übergänge in Kreislaufprozesse von
Wiedereinspeisung der Differenz übergreifender Äquivalenzen münden, entstehen systemische
Äquivalenzketten. Sie gewinnen eine relative Stabilität durch die selbständige
Herstellung eines Raums ihrer Möglichkeit, also Autonomie.
Eine Artikulation
als eine Menge differentieller Positionen steht mit einem bestimmten Verhältnis
von Redundanz und Innovation in Bezug zu einer Äquivalenzkette eines Systems,
so dass bestimmte Elemente systematisch von Redundanzen abweichen. Die
Artikulation bildet durch ihr inneres Differenzverhältnis von Innovation und
Redundanz eine Äquivalenz von Differenzen, die die bestehenden Äquivalenzketten
ergänzt und verlängert.
Bei der
Eingliederung einer Artikulation in die Äquivalenzketten eines Systems wird das
System modifiziert. Durch die Modifikation des Systems verschwindet die innere
Differenz der Artikulation, ihre Elemente werden glatt, bloße Momente des
Systems. So stabilisiert sich das System und gewinnt gleichzeitig die
Möglichkeit emergent neue Ebenen auszubilden. Ohne Artikulationen wäre es eine
geschlossene deterministische Maschine, ohne Entwicklung, sogar ohne Zeit.
Artikulationen versorgen also das System mit Kontingenz, verhindern seine
Schließung und ermöglichen im Austausch mit dem System Emergenz. Gleichzeitig
versorgt ein System die Artikulation mit der Redundanz, vor der sich ihre
Innovation abheben kann. Der dauernde Tausch von Äquivalenz und Differenz im
Austausch von Artikulationen und Systemen schafft durch emergente Verwandlung
das Neue.
Ein kritischer
Zustand tritt ein, wenn ein System sich verfestigt und die emergente Dynamik
abnimmt. Artikulation wird zunehmend redundant und findet kaum mehr
Möglichkeiten, die Äquivalenzketten innovativ zu differenzieren, während
gleichzeitig das System kaum mehr Abweichung zulässt. Dieser Zustand kann
stabilisiert werden und sehr lange anhalten, denn ein System ist nicht auf
Wachstum und Verwandlungsfähigkeit angewiesen. Es kann sich auch darauf
beschränken, Veränderung seiner Umgebung zu kompensieren. Es braucht dann eine
starke Identifikation des universellen Äquivalenten mit der fiktiven Totalität
und eine feste hierarchische Gliederung der Äquivalenzketten, die einen
geregelten Austausch von Differenzen im Inneren ermöglicht, die außen
hergestellt werden, zum Beispiel durch geteilte Subjektpositionen, also durch
konkurrierende Systeme. Das System stellt ein exklusives Weltmodell dar und
schließt deshalb große Teile von Welt, nämlich konkurrierende Weltmodelle aus.
Das System bleibt stabil über der Verwandlung von ihm äußerlichen Äquivalenzen
in Differenzen fester eigener Äquivalenzketten. Innovative Artikulation tritt
zugunsten von optimierender Vermittlung zurück.
Dagegen wird ein
System, das darauf angelegt ist, neue Äquivalenz als Differenz herzustellen,
also integrierend zu expandieren und innerhalb einer Welt zu hegemonisieren,
sich selbst als Außengrenze verlorengehen. Es wird sich immer mehr in
Diversität vereinheitlichen und seine Äquivalenzketten und damit sich selbst
letztlich auflösen. Solange es hegemonisierte, konnte es auch Systeme als
Differenzen integrieren, die es bekämpften. Setzt es sich als globale
Totalität, die alle Unterschiedlichkeit integriert, durch, zerfällt es. Es ist
nicht mehr die wahre Welt, sondern es ist alle Welt und alle Welt ist Teil von
ihm, so unterscheidet es sich von aller Welt nur negativ, indem es nicht alle Welt
ist. Als in sich einheitliche Negation kann es keinen Maßstab mehr bilden und
die von ihm hegemonisierten Systeme treten aus seinen zerfallenen
Äquivalenzketten, seine systemischen Momente werden zu Elementen einer Menge.
Der Gegner eines
Systems, der vermeiden will, dass seine Opposition als innovative Differenz ins
gegnerische System eingespeist wird, muss versuchen, für dessen Äquivalenzkette
eine einzige disruptive, vereinheitlichende und nicht vorgesehene Äquivalenz zu
entwerfen. Gelingt dies, könnte er die Momente als freigewordene Elemente aus
dem organischen Zusammenhang herauslösen und sämtlich in die eigene
Äquivalenzkette übernehmen, um das andere System zu ersetzen. Dann hätte er
aber durch eine Abkürzung eine komplexe durch eine einfache Äquivalenzkette
ersetzt. Es besteht die Gefahr, dass das neue System selbst eine
Vereinheitlichung erfährt und Beute eines weiteren Systems wird. Deshalb muss
in der neuen, kurzen Äquivalenzkette eine Asymmetrie zwischen den von der
Abkürzung eingeschlossenen Differenzen und dem vereinheitlichenden Zugang
eingebaut sein. Das Beste ist, das ersetzte System als kommensurable Menge der
frei schwirrenden Differenzen zu erhalten, während das eigene System, darauf
aufbauend, einseitig Zugang herstellt. Das zur Menge gewordene System scheint
seine konstitutive Grenze gegenüber äußerer Differenz zu bewahren, obwohl es
innerlich keine Äquivalenz mehr entwickelt, also nicht mehr den eigenen Maßstab
des Tauschs bestimmt. Die Grenze der Menge wird nicht mehr autonom, sondern von
der einseitig abgegrenzten Äquivalenzebene hergestellt, die die Menge der
Differenzen abschöpft. Auf der einen Seite entsteht dann ein reduktionistisches
Netzwerk, wo Artikulationen freiwillig an der ausdifferenzierenden Vermehrung
losgelöster Differenzen arbeiten, eine res extensa. Auf der anderen Seite der
Hohlraum der res cogitans, wo der Mehrwert abgeschöpft wird. Wer nicht weiß,
auf welcher Seite er steht, kann nachsehen, ob er auch eine innere, oder nur
eine äußere Grenze hat. Ein autonomes System stellt sich als identisch her
durch den geregelten Austausch zwischen inneren und äußeren konstitutiven
Grenzen.
Gewiss wäre es
wünschenswert, wenn Menschen in geschlossenen Kreisläufen kooperierten.
Aufgrund von Machtvakuen sind aber die Asymmetrien der Ausbeutung von
Konkurrenz der Fall. Je kürzer die Äquivalenzketten und je geringer die
Komplexität des Systems, umso einheitlicher die Ausbeutung des Vielen. Ungewiss
ist der Moment der Singularität.
Dagegen könnte
eine Aufgabe sein: Verkörperung des Netzwerks, Positivität der Vermittlung,
innere Gliederung als vertikale Integration. Man müsste Scheide werden.